SS 2022 Stein, was willst Du sein?
Andrijs Arnout, Richard Beilmann.

Das Bankhaus

Der Ton ist formlos. Ohne eine Schale kann er nicht kultiviert werden; mit Schale wird er zum Kern und Samen der Architektur überhaupt (seine Erscheinung ist epimetheisch). Fest wird er durch das Feuer (und darin ist er prometheisch). Der Stein ist Ordnung, System, Prinzip. Der Stein ist richtungslos, aber nicht ungerichtet. Für sich wie auch im Kollektiv ist der Stein aber zur Wand nicht fähig – er bedarf der Fuge. Die Fuge ist das ontologische Bett, in das hinein der Stein erst sein kann, wozu er gemacht ist. Die Fuge ist in sich unbestimmt, vermag es aber, den Stein auszurichten und dadurch sich selbst durch den stein zur eigenen Gestalt zu verhelfen.

Das Mauerwerk ist Zusammenhalt durch Konfrontation: Jede Last erzeugt Druck erzeugt Reibung erzeugt Spannung, die in der Summe der Teile zeigen, was darüber noch hinaus- geht: Der Ausdruck des Mauerwerks. Hier beginnt die Fuge zu reden: „Durch mich wird möglich, was der Stein weder will noch kann noch können will – wo der Ziegel rigoros bleibt, da werde ich tolerant: Seine Winkel brechen auf, die Wände biegen und krümmen sich. Das Rechteck verliert seinen Sinn; ich aber erhalte darin meine Bedeutung.“ Der Stein antwortet: „Wie ich von Hand gestrichen, von Hand auf dir gebettet bin, so ist das ganze Bauwerk lesbar als Artefakt. Der Bau ist der Hand entsprungen. Je größer der Bau desto stärker wird der Ausdruck der Hand; der Ziegelbau folgt dem Menschen und hat den Menschen zum Zweck. Dennoch: Ich verlange Präzision.“

Das Bankhaus folgt einem eigenen Ziel: dem Kapital, dessen Ursprung und Bestimmung sich allzu oft in ihm selbst zu erschöpfen scheint. der Mensch ist dem Kapital die Fuge. Dehnbar, nachgiebig. Die Bank verlangt nach Hierarchie und nach Macht, innerhalb derer, was von Wert ist fließen kann – immer nach oben, entgegen der Schwerkraft. So sind die Masse des Steins, dessen Fuge immerzu Erinnerung an den fernen Horizont ist, und die Vertikalität der Formen entgegengerichtete Kräfte zwischen dem Artefakt und dem Wertvollen (nicht aber dem Kostbaren). Der Ausdruck des Mauerwerks prägt ein Bankgebäude jenseits gläserner Fassaden und die Form, die Stein und Fuge gemeinsam bilden, sind ein Widerspruch zur Konformität des Rechten Winkels.

Projekt: Andrijs Arnout, Richard Beilmann

Studio Stein, was willst Du sein?