WS 2021 Über den Versuch ein Haus zu bauen
Vera Schabbon.

„Weißt du noch?“ „Oh ja, ich habe es geliebt!“ Für Kinder verwandelt sich das Zimmer mit seinem Mobiliar und Ähnlichem in einen Baukasten, der scheinbar grenzenlose Möglichkeiten bietet: Zwischen Stühlen, unter dem Tisch, auf dem Bett, beim Heizkörper, in jeder Ecke, die gerade passend erscheint werden spielerisch Höhlen gebaut.

Können diese Bauten als Architektur begriffen werden? Wenn ja, wie könnte ein Haus, gebaut mit dem unvoreingenommenen, naiven Blick eines Kindes, aussehen? Lässt sich die Ehrlichkeit, das „Nicht Vortäuschen“ einzelner Funktionen von Möbeln und Decken in eine Architektursprache übersetzen?

Welche Auswirkungen hat es auf das Entwerfen, wenn im Moment nach Lust und Bedarf entschieden wird und es scheinbar keine Regeln gibt? Ein roter Faden von Fragen leitet den Versuch, anhand der Sammlung real gebauter Referenzen von Höhlen ein Haus zu entwerfen, das dem Wesen dieser Räume entspricht.

Sind die Höhlen Architektur? Was entsteht, wenn der Stuhl als Wand betrachtet und verstanden wird? Wie entsteht aus dem „Fügen“ von Möbeln und anderen Utensilien ein Raum?

Alle Elemente stehen in Abhängigkeit, in einer Beziehung zueinander. Wie ein Mikadospiel, bei dem alle Stäbe entnommen werden, die ohne eine Bewegung auszulösen, entfernt werden können. Jedes Element gibt dem anderen seine Daseinsberechtigung - keines darf fehlen. Das produziert Spannung, dann beginnt das Spiel.

Prinzipien des Höhlenbaus

Die Höhlen können anhand charakteristischer Merkmale beschrieben werden. Sie nehmen Bezug zu dem Prozess des Bauens und der Erscheinung des Gebauten. Diese Prinzipien braucht es, um einem Regelwerk folgen zu können. Sie dienen als Entscheidungshilfe.

Abstrahieren und Beschreiben für das Neue

Der zweite Versuch mit einer Skizze: Über die Abstraktion der Skizze verstehen lernen wie das „Gesamte“ erscheint, zusammenhängt und zu dem wird was es ist. Die Skizze ruft bei mir die Assoziation hervor, die Höhle als eine Ansammlung von hohen, niedrigen, breiten, schmalen, fragilen und massiven Stützen zu sehen, worüber sich das Dach legt. Die sprachliche Darstellung einzelner Stützen hilft mir, neue Stützen zu entwerfen:

Das Vergessen und Neues Sehen

Den Plan nicht als konstruktive Zeichnung lesen, sondern freie bedeutungslose Linien sehen.

Nur mit der Handzeichnung als Grundlage ist die direkte Übertragung vom Auge aufs Papier möglich. Die Linien werden weicher, scheinbar „menschlicher“. Im nächsten Schritt werden sie digitalisiert.

Bauprozess

Mit dem Versuch, Elemente des Hauses zu entwerfen, geht eine Sammlung von Modellen in unterschiedlichen Maßstäben und von Bildern mit Linien und Flächen einher. Diese und Fertigteile wie Holzstäbe, Rohre, etc. sind der Baukasten des Hauses. So wird zum Beispiel eine Stütze wieder in ihre Einzelteile zerlegt, weil sie in ihrem Maßstab und ihrer Funktion keine nützliche Aufgabe für das Haus übernehmen kann. Der Stützenkörper übernimmt im Haus die neue Funktion eines Sockels. Das momenthafte Entwerfen mit dem Modell erleichtert es, sich auf das Unvorhersehbare einzulassen und das Experiment als Spiel schätzen zu lernen.

Der Plan liefert nicht wie üblich eine Anleitung zum Bauen des „fertigen Hauses“, sondern ist einer von mehreren Entwurfsschritten. Es gilt, dass im Moment am Modell, nach Bedarf und nach Lust entschieden wird, welches Element verwendet wird, wo es hingeht, wie es gefügt wird. Als Zwischenschritt hilft das Zeichnen eines Plans des Modells, um den Status quo zu dokumentieren, Verbindungspunkte im Detail zu lösen und Richtungen für den Raum zu erproben und die Erscheinung des Gesamten zu begreifen. Der regelmäßige Wechsel zwischen Modell, Handzeichnung, Plan und Foto ist notwendig.

Grundriss
Ansichten

Einblick

Ist das Haus „laut“ oder „leise“? Zwingt es sich auf oder hält es sich zurück?

Das Haus hat keine Fenster und Türen, die "eingefügt" werden. Zwischen den Bauteilen entstehen Öffnungen für Licht und ermöglichen Zugang.

Die Wand legt sich über den Boden, wird zum Boden und hängt vom Dach. Der Boden ist bedeckt, aber liegt auch frei. Er läuft von innen nach außen und von außen nach innen. Wo die Grenze ist, ist nicht klar. Mit welcher Verbindung oder Trennungen beginnt ein Haus ein Haus zu sein?

Wie viel Raum darf das Gebaute einnehmen und wie viel muss "frei" bleiben, um Raum "dazwischen" entstehen zu lassen? Wie viel "Luft" braucht der Raum?

Ausblick

Dieses Modell stellt keine bewohnbare Architektur dar. Es ist undicht, halb offen, halb geschlossen, hat keinen Ort. Es befindet sich an einer Schnittstelle zwischen einem skulpturalen Raumgefüge und einem Modell von einem Haus. Aber es gibt Assoziationen und Hinweise zu einem realen Bau: Man erkennt ein Dach, einen Sockel, eine Stütze und nimmt die im Zusammenspiel erzeugten Räume wahr. Das Dazwischen, das nicht Konkrete, aber doch Gebaute, lädt ein zum weiter Fragen, zum weiter Bauen, zum weiter Spielen.

Project by: Vera Schabbon

Supervisor Alex Lehnerer