SS 2024 Grazer Wände
Sebastian Stubenrauch.
In dieser Arbeit geht es um Brandwände als Hauptakteure im Planungsprozess. Allzu häufig werden sie als technisch notwendige Nebensächlichkeiten oder Selbstverständlichkeiten abgehandelt. Eine hygienische Trennung soll hergestellt werden, ganz nach dem Motto „Hier höre ich auf, dort fängst du an“.
Bei eingehender Betrachtung während Stadtspaziergängen durch die Grazer Stadtlandschaft zeichnet sich ein urbanes Umfeld aus Fassadenkonturen, verschnittener Dachlandschaften, ruhig anmutenden monolithischen Flächen. Es wird abgebrochen und neugebaut. Angebaut und aufgebaut. Wände werden freigelegt und verschwinden bald wieder hinter Neuem. Aber es gibt auch Brandwände, die wie Zeitdokumente Geschichten über längst vergangene Gebäude erzählen.
Aus der Auseinandersetzung mit Brandwänden als Akteure im städtischen Raum sind Überlegungen, Experimente und ein Entwurf hervorgegangen, welche den Handlungsspielraum aufdecken. Aus einer Villa werden Villenviertel, die Wand wird zum Haus.
Grazer Wände
Der Grazer Stadtraum - vom Villenviertel um den Hilmteich bis zum Schlossberg - vom Lendplatz über den Griesplatz bis zum St.Peter Friedhof - ist das Gebiet der Betrachtung. Dichter Altstadtkern, neben Gründerzeitblöcken, neben 1970er, -80er, -90er Jahre Bauten, bis hin zu den freistehenden Villen. Alles kommt in der Stadt zusammen. Verspielte neben strengen - bemalte neben verspiegelten Fassaden.
Doch fehlt ein Haus im Gedränge, dann bleibt von der gerade noch so dicht geschmückten Gründerzeitfassade mit allen Gesimsen und Fassadenelementen nur noch die Kontur, bevor man auf die Lücke stößt. Zwei groteske Flanken, große leere Wände. Die Schnittflächen der Nachbargebäude erscheinen wie eine Art kindliche Abstraktion des Hauses mit rauem Putz oder freigelegtem Klinker. Sie stehen im direkten Kontrast zu den Schaufassaden, welche der Straße zugewand sind. Was sagen uns diese Wände, die normalerweise imVerborgenen bleiben?
Es gibt Brandwände, die wie ein Zeitdokument vergangene Gebäude in sich aufnehmen. Dachneigungen, Trauf- und Gebäudehöhen werden ablesbar. Das Dachgeschoss musste aufgestockt werden. Putz, Ziegel und die Kontur dazwischen erzählen von dem, was einmal war.
Es gibt Brandwände, die durchdrungen werden um Ausblicke zu schaffen, wo man eigentlich keinen Ausblick haben sollte. Manche wagen sogar einen Balkon vor die Wand zu setzen und durch die Wand hindurchzutreten. Andere wiederum gestehen sich ihre Fehler ein und es bleibt nur eine Erinnerung an den Durchbruch.
Es gibt Wände, die dürfte es so eigentlich gar nicht geben, aber damit der Tankwart alles im Überblick hat, kann man ja wohl eine Ausnahme machen.
Es gibt Wände, die scheinen nach einer anderen Bestimmung zu streben, und so hüllen sie sich in das Gewand des Daches ein, als wollten sie ihre wahre Natur verschleiern.
Überzeichnen des Profils
Durch den Prozess des Überzeichnens der städtischen Fassaden und Konturen findet eine persönliche Aneignung statt. Strenge Linien werden in Volumen und farbige Flächen übersetzt, wodurch wiederum neue Kompositionen entstehen können. Die Unschärfe dieser Transformation hilft dabei, eine neuen Idee für die Fassade eines Gebäudes zu erarbeiten und neue kreative Ideen zu entwickeln.
Fassadenelemente werden überzeichnet, die Traufe kragt weit in den Straßenraum hinein. Gesimse werden neu interpretiert, Dachformen lassen Schleppgauben erkennen.
Griesgasse
Der Bauplatz ist eine Lücke zwischen Griesgasse 25 und 27. Gerade einmal 1,75m breit, ist man schnell vorbeigegangen ohne sie überhaupt wahrzunehmen. Die Nische ist 27m tief und auf beiden Seiten von zweigeschossigen traufständigen Bauten aus dem 17.Jahrhundert flankiert. Das hintere Ende der Lücke wird von den Rückseiten der viergeschossigen Gebäude (Höhe von 22m) am Nikolai- und Entenplatz geschlossen.
Das ist der Handlungsspielraum für ein schmales Haus, eine Scheibe, eine Wand.
Das schmale Haus
Was macht man mit so einem Grundstück? Besetzt wird es aktuell von Mülltonnen, Lüftungsgeräten, Regenrinnen und sonstigen Notwendigkeiten, die irgendwo ihren Platz benötigten. In Zeiten, in denen Nachverdichtungsfragen in jeder stadtplanerischen Diskussion nicht fehlen dürfen, kann man wohl mit der Vermutung nicht falsch liegen, dass auch diese Unräume eigentliche Potenzialräume sind. Deswegen sollen auf dem 47,25m2 großen Grundstück drei Wohneinheiten entstehen.
Ein Haus so schmal, fast nur noch eine Wand, fast nur noch eine Kontur. Die straßenseitige Fassade so schmal, ihr Ausdruck muss überzeichnet werden um neben den Nachbarsgebäuden nicht unterzugehen. Gesimse werden zu Erkern, Rücksprünge zu Dachterrassen, Traufen zu Auskragungen.
Was bedeutet es, in einer Wohnung zu leben die nur 1,75m breit ist? Möbel müssen neu gedacht werden. Dinge werden quer gestellt, müssen Platz machen, Durchgänge ermöglichen. Räume werden je nach Stellung der Türen definiert. Was längs orientiert ist, muss schmal werden.
Project by: Sebastian Stubenrauch
Supervisor Alex Lehnerer