WS 2021 Dorfhäuser
Julia Fröhlich.

Von dichtem Nebeneinander, sich verändernden Raumbedürfnissen und Bodenverbrauch in der Ortschaft.

In der Ortschaft bauen bedeutet den Bodenverbrauch zu reduzieren, bedeutet der Verödung von Dorfkernen zu begegnen, bedeutet bessere Nutzung von vorhandener Infrastruktur. Es bedeutet komplexere Bedingungen als auf der grünen Wiese und ein höheres Konfliktpotential durch Unmittelbarkeit.

Verortung und Anbindung Preding

Unwissende Bauten. „Manche Bauten wissen nichts“, schreibt Roland Gnaiger, „nichts von ihrer Nachbarschaft und von der Zersiedelung, nichts vom Wandel in den Familienstrukturen, [...] und nicht einmal etwas vom Schnee und vom Regen.“ In Ortschaften, an ihren Rändern, an Hauptverkehrsströmen in der südwestlichen Steiermark entstehen Unmengen an Bauten, denen man diese Unwissen ansehen kann.

Preding. Eine Erkundung

Es sind Reihenhaussiedlungen die nichts von Ortschaft, nichts von Nahversorgung, nichts von Lärm wissen. Es sind freistehende Einfamilienhäuser, die nichts von Topografie, nichts vom Nebengebäude, nichts vom alternden Menschen und von Zersiedelung wissen.
Es sind Gewerbebauten, die Zu-Fuß-Gehen, Bodenversiegelung und Flächenverbrauch nicht verstehen. Und es sind Wohnblöcke, die keine Ahnung vom Bedürfnis sich etwas anzueignen haben, keine Ahnung von einer langen Baukultur und von den Herausforderungen der Dichte haben.

Diese Arbeit fragt danach, was Häuser wissen müssen, um im Kontext des Dorfes, der Ortschaft zu überzeugen. Sie fragt nach den Themen, denen sie begegnen sollen und nach den architektonischen Hebeln, welche Gebäude mit diesem Wissen anreichern. Einige dieser Themen und Hebel wählt sie aus, versucht diese im Entwurf ins konkrete zu übersetzen und zur Diskussion zu stellen.

Da muss mehr gehen: Wird im Ort neu gebaut, handelt es sich um freistehende Einfamilienhäuser, im Raster positioniert, oder um serielle Geschoßwohnbauten mit Carportflanken. Im Kontext der Ortschaft fällt es beiden Typologien schwer sich zu beweisen. – Eine Suche nach Charakteristika zentrumstauglicher, auf zeitgenössische Lebensstile angepasster Dorfhäuser.

Ein konkreter Kontext: Preding

Preding ist Ressource und Reibungsfläche für die Arbeit. Diese versucht das Dorf zu verstehen, von kontextuellen Mustern zu lernen und sie weiterzuentwickeln. Sie versucht Herausforderungen der Ortschaft aufzunehmen und ihnen zu begegnen. Der reale Bauplatz liefert Bedingungen, ohne die Bauen in der Ortschaft nicht denkbar ist. In Preding zu bauen bedeutet nicht dasselbe, wie in anderen Dorfern zu bauen – aber vielleicht etwas Ähnliches.

Lageplan Preding
Analyse der Potentialflächen

Ein Stück Ortschaft weiterbauen

Die Dorfhäuser sollen nicht bloß in sich funktionieren, sie sollen auch zur Straße und zur Ortschaft hin von Selbstverständlichkeit und Mehrwert zeugen. Das Projekt versucht an ausgewählte kontextuelle Muster anzuknüpfen, so wie es probiert seinen eigenen, angemessenen Einfluss zu üben.

Lageplan Bauplatz

Kubatur und Außen-Raum

Die Kubatur hat einen gewachsenen Charakter, sie spielt mit ihre Komplexität erzeugt Beiläufigkeit, ihre Form folgt der Entwicklung der Innen- und Außenräume. Sie reagiert auf Lichteinfall, Aus- und Einblick.

Ziel ist, dass keine Eindeutige Leseart der Kubatur möglich ist. Die Dorfhäuser sind eine kleingliedrige Großstuktur und eine Einheit von Ausschnitten.

Das Außen

Der Versuch sich nicht festzulegen, ob es sich um eine zweigeschoßige Wohneinheit ähnlich einem Reihenhaus, um geschoßweise gestapelte Wohnungen oder gar um Situationen eines Einfamilienhauses handelt wird ausgekostet.

Auf Abstandsgrün wird verzichtet. Die nötige Distanz zwischen Bereichen mit widersprüchlichen Qualitäten wie Lebendigkeit oder Ruhe und Abgeschiedenheit wird durch einen Gebäudeteil, dessen Vor- und Rückspringen oder eine Mauer erzeugt.

Programm: Das Alltägliche

Das Programm der Dorfhäuser ist das Alltägliche.
Dieses beinhaltet das Wohnen, so wie es im Wohnungsbau verstanden wird, genauso wie das Sich-versorgen, Sich-Treffen, Sich-Zurückziehen, Nach-draußen-gehen.

Das Alltägliche unterscheidet nicht zwischen Freizeit, Arbeit und Wohnen und trägt durch die Vernachlässigung dieser Kategorisierung das Potential in sich, Räumen wieder eine größere Dichte an Bedeutung und Funktion zu geben.

Grundriss Erdgeschoss
Grundriss Obergeschoss

Organisation

Die teilbaren Wohneinheiten haben ihren Zugang direkt über den Straßenraum. Diesem Bereichen wird zum Gehsteig hin ein wenig mehr Platz gegeben – ein kleines Eingangspodest, eine Treppe, ein Materialwechsel vor der Tür deuten die Zugehörigkeit zur Wohnung an und laden ein, sich die entstehenden Nischen anzueignen.

Grundriss Dachgeschoss
Grundriss Dachgeschoss

Die subtile Gestaltung fördert so die Nutzung und Pflege des Bereichs. Zum Öffentlichen hin gibt es keine klare Grenze. Das Fahrrad, die Pelargonie, die Gummistiefel vor dem Eingang tragen dann zur Lebendigkeit der Straße bei.

Die Dorfhäuser reagieren mit ihren Ebenen auf das umliegende Terrain – so schmiegen sich die Gebäude mit Selbst- verständlichkeit an die sanft abfallende Topografie.

Schnitt

Die teilbaren Wohnungen

Jeweils zwei übereinanderliegende Wohnungen sind so strukturiert und aufeinander abgestimmt, dass sie sich gemeinsam als zweigeschoßige Wohneinheit nutzen lassen.

Eine Tür zur Treppe ist das verbindende oder trennende Element. Viel entschei- dender ist die Umdeutung und -nutzung der Räume. Bei gekoppelter Nutzung dient ein zweiter Zugangsraum als Garderobe, Abstellraum, Fahrradraum – die darin befindliche Eingangstür bleibt weitgehend ungenutzt. Werden die Räume im Erdgeschoß durch die Tür an der Treppe abgetrennt, verbindet nun dieser Bereich das Obergeschoß mit dem Straßenraum.

Die teilbare Wohneinheiten

Gemeinsam genutzt bieten die drei Zimmer in Erdgeschoß und drei bis vier Zimmer im Obergeschoß genug Platz für eine mehrköpfige Familie

Das Erdgeschoß kann aber auch eigenständig genutzt werden – die Türe zur Treppe wird geschlossen.

Erdgeschoss
Obergeschoss

Orientierung zum Straßenraum

Die zentrale, in den Straßenraum fließende Treppe erschließt drei Wohnungen in den oberen Geschoßen und stellt eine ähnliche Unmittelbarkeit her, wie sie die Zugänge der anderen Wohnungen aufweisen.

Die subtile Gestaltung fördert so die Nutzung und Pflege des Bereichs. Zum Öffentlichen hin gibt es keine klare Grenze. Das Fahrrad, die Pelargonie, die Gummistiefel vor dem Eingang tragen dann zur Lebendigkeit der Straße bei.

Das Innen

Die Gestalt

Ein Steh- und Gehflügel bieten kleine Manipulationsflächen im täglichen Gebrauch und große Öffnungsmöglichkeit.

Mulitfunktion – das Vorsehen mehrerer Funktionen für einen Raum – ist möglicherweise überzeugender als die moderne Flexibilität. Vgl. Venturi 1978, 50.

Im Geschoß darunter entsteht durch den teils überhöhten Raum, sowie durch die Träger und Tramlage ein großzügiger, komplexer Raumeindruck.

Die Fassaden

Die Fassade spielt mit Gewohntem und verfremdet dieses. Formen von Zeckbauten überlagern sich mit samtigem Putzmaterial und treffen auf klare Profile und flächige Ausführung bei Fenster- und Türdetails.

Der Hof

Der wohnungszugehörige Garten besteht nicht aus Resträumen, aus Abstandsgrün – er füllt wie ein weiterer Wohnraum die im Grundriss erzeugte Ecke aus und bietet einen vor Wind und Einblicken weitgehend geschützten Bereich. Sprünge in der Fassadenflucht der Gebäude deuten auf die Zugehörikeit hin und bilden weiche Grenzen ganz ohne Zäune.

Project by: Julia Fröhlich

Supervisor Alex Lehnerer