SS 2017 Der Seebueb
Lukas Herzog, Runa Barbagelata.
Wieso ein Buch über den Zürichsee?
Eingebettet zwischen Pfannenstiel und Zimmerberg ist der Zürichsee grösstenteils von heterogenem Siedlungsraum umgeben. Als grossmassstäbliches und dominantes Landschaftselement der Region besitzt er das Potential, die städtebauliche Zukunft der ihm anliegenden Gemeinden anzuleiten und als «symbolische Mitte» die Metropolitanregion Zürich zu strukturieren.
Gegenwärtig kann der Zürichsee dieses Potential kaum ausschöpfen, da diverse politische, administrative und mentale Grenzen die Wahrnehmung des Seeraumes fragmentieren. Die stark eingeschränkte öffentliche Zugänglichkeit entlang des Ufers verstärkt diese zusätzlich.
Gegenwärtige Planungsprojekte werden oftmals von Partikularinteressen der Kantone, Gemeinden und Privateigentümer geleitet, so dass sich die Planungen allzu oft am momentan Gangbaren anstelle am langfristig Erwünschten orientieren.
An dieser Stelle setzt unser Buch mit den Erlebnissen des Seebuebs an. Es soll jene kollektiven Traumbilder anregen, die am Anfang jeder relevanten Planung stehen. Um wegweisende und grenzüberschreitende Planungen realisieren zu können, ist nicht nur eine Gesellschaft notwendig, die Planungsprozesse unterstützt, sondern ebenso eine, die bereits vor einer Planung ak-tiv Visionen mitprägt.
Der Zürichsee soll in diesem Sinne als Möglichkeitsraum entdeckt werden – als Projektionsfläche gesellschaftlicher Träume.
Der Begriff Seebueb stammt aus dem 18. Jahrhundert, einer Zeit, in der die städtisch konservativen Kreise ihre aufmüpfigen Untertanen am Zürichsee als «Seebuebe» bezeichneten.
Er stand sinnbildlich für das Verhältnis der väterlichen Obrigkeit zu den noch unmündigen Kindern. Wir sehen in dieser aufmüpfigen, unmündigen, geselligen und naiven Figur des Seebuebs die Möglichkeit, den Seeraum neu wahrzunehmen und festgefahrene Debatten über Grundeigentum und Öffentlichkeit durch ihn zu überwinden.
Er begegnet der Wirklichkeit mit einem fantasievollen Blick, interpretiert den Seeraum samt seiner baulichen Umgarnung um und denkt die bestehenden räumlichen Strukturen und Elemente ungezwungen weiter. Seine historische und charakterspezifische Grenzen- und Narrenfreiheit wird durch die Wiederentdeckung der alten Uferlinie, der sogenannten «Konzes-sionslinie», begleitet.
Sie ist das planerische Pendant zur narrativen Figur des Seebuebs: Ihr Verlauf führt quer über Parzellengrenzen und durch Gebäude hindurch und reicht an gewissen Stellen gar über die Seestrasse hinaus, wodurch sie die bestehende bauliche Ordnung negiert.
Durch die Überlagerung der bestehenden baulichen Struktur mit der Eigenlogik der Konzessionslinie und dem freien Herumschweifen des Seebuebs entsteht die Möglichkeit einer neuen Wahrnehmung des Seeraumes.
Gemeinsam stellen sie den bisher fehlenden Zusammenhang und eine räumliche Kontinuität entlang des Ufers her und verwandeln die ursprünglich negativ konnotierte räumliche Fragmentierung in eine wundervolle Entdeckungsreise.
Project by: Lukas Herzog, Runa Barbagelata
Studio Alex Lehnerer, ETH