WS 2019 Das Theater zum Hof
Dominik Keller.
„Welche Relation besteht zwischen gesellschaftlichem Leben und dem Theater? Theater kann als Spiegel der Gesellschaft gesehen werden in einer vereinfachten und idealisierten Form. Wenn das soziale Leben als Spiel aufgefasst wird, so kann man das Theater als Spiel des Spieles und seine Wiederholung auffassen.“ Sonja Hnilica, Metaphern für die Stadt, 2012
Die Stadt als Schauspiel ist ein häufiges Bild der zeitgenössischen Stadtanalyse. Wobei die Bewohner sowohl die Rolle der Zuschauer als auch der Darsteller einnehmen. Die klassischen Bühnenbilder seit der Renaissance stellten jeweils idealisierte Stadtsituationen dar. So sollte das Schauspiel auf der Bühne, mit dem politischen Leben ausserhalb in Verbindung gebracht werden. Neben dem Schauspiel der Bühne war stets die Inszenierung des Foyers und des Besuchs genauso wichtig. Im Foyer bildeten sich die Hierarchien der Stadt ab. Das Beobachten der anderen Besucher und die eigene Inszenierung nahmen oft eine wichtiger Rolle ein als das eigentliche Schauspiel auf der Bühne. Der Hinterhof bildet einen starken Kontrast dazu. Er ist die Informelle Rückseite der Stadt. Hier überlagern sich das öffentliche und das private, formelles und informelles Schauspiel. In Alfred Hitchcocks Film „Rear Window“ ist die Metapher von Stadt, Schauspiel und Thater im begrenzten Raums des Hofs besonders eminent. Der Hof wird darin zu einem invertierten Panoptikon, in dem die Bewohnerinnen die Doppelrolle von Beobachter und Beobachteten Spielen.
Dieses Spiel sollte auch in meinem Projekt für den Besucher möglich sein. Die anderen Besucher sollten ebenso beobachtet werden können, wie die anderen Besucher und Bewohner des Hofs. Das Spiel mit der Überlagerung von Öffentlichem und Privatem, Inszenierung auf der Bühne und Inszenierung der Besucher und dem Formellen des bürgerlichen Theaters mit dem Informellen des Hinterhofs, war treibende Kraft meiner Arbeit. Die Frage, wie der Hinterhof mehr werden kann als ein reines Bühnenbild und nicht nicht bloss als Metapher im Projekt funktioniert, hat die Konzeption des Projekts stark geprägt.
„Architektur ist nicht das Leben. Architektur ist Hintergrund. Alles andere ist nicht Architektur.“ Hermann Czech, 1971
Die Hofbauten werden abgerissen und nur der umschliessende Blockrand bleibt bestehen. Ein Neubau schliesst den entstandenen Hof zur Rückseite ab und verwächst mit den bestehenden Gebäuden. Der so geschaffene Innenhof bildet die Szenerie für das neue Theater. Der Besucherraum ist über verschiedene gleichwertige Zugänge erreichbar, die man sich jeweils mit anderen Bewohnern der Gebäude teilt. In den Bestandsgebäuden werden bestehene Fenster vergrössert um neue Logenplätze zu schaffen. Die Bühne befindet sich in der Mitte des Hofes. Da alle Gebäude inklusive den Wohnungen zum Theater gehören können alle Bereiche des Hofs in die Inszenierung einbezogen werden. Der Hof und vor allem das in im stattfindende Leben ist die eigentliche Kulisse des Theaters.
„In ihrer Gegensätzlichkeit sind diese Elemente nämlich integrierende Bestandteile der Stadtarchitektur als der beständigen Bühne des menschlichen Lebens, auf der sich öffentliche Ereignisse und private Tragödien abspielen und die von den Gefühlen ganzer Generationen durchtränkt ist. Individuum und Gemeinschaft begegnen und durchdringen sich in der Stadt. Sie besteht aus zahllosen Einzelwesen, die sich ihre eigene kleine Welt schaffen wollen, um damit ihren eigenen Wünschen zu entsprechen und sich zugleich der allgemeineren Umwelt anzupassen.“
Aldo Rossi, die Architektur der Stadt, 1973
Project by: Dominik Keller
Studio Alex Lehnerer, ETH