WS 2024:
Der Sessel

151.903 SE Handwerk
Rainer Eberl
Holzwerkstatt [NAEG150], Alte Technik
Einführung am Dienstag, 15.10.2024, 16:00 Uhr

Der Mensch steht, geht und ruht. Mit der täglichen Routine und zunehmender Mobilität nimmt der Zwang sich setzen zu müssen ständig zu. Der Stuhl als solcher wurde nicht erfunden, er ist aus der Erschöpfung, der Notwendigkeit des Pausierens entstanden. Einst symbolisierte er die Macht der Könige. Gegenwertig ist er ein unauffälliger aber omnipräsenter, weltumspannender Begleiter der Zivilisation, der Thron der Masse. Es reicht ein Baumstamm um kurzfristig durch Sitzen eine körperliche Erholung zu erlangen. Doch schon ein simpler Sessel kann durch seine durchdachte, ergonomische Form und seiner Konstruktion, farblos im Ausdruck aber höchst effizient im langfristigen Sitzkomfort sein. Durch seine Souveränität integriert er die Physis des Menschen. Der Sitzende erwartet sich Regeneration, die Rückgewinnung seiner Kräfte, seiner Leistungsfähigkeit. Dies, mit unseren Entwürfen und Ideen zu erreichen ist unsere Disziplin, unser Anspruch. Die Suche nach dem Ursessel ist keine mühselige, von Misserfolg begleitete Aufgabe, sie erfordert aber Grundkenntnisse über strukturelle, ästhetische und mechanische Eigenschaften des Werkstoffes Holz und Verständnis für den Zusammenhang von Form, Funktion, Konstruktion und umfangreiches Wissen über Arbeitstechniken und Anwendungen. Mit den, im Handwerk Seminar, erworbenen Fähigkeiten können Studierende materialgerecht gestalten und sich mit den Ausführenden ihrer Entwürfe sachgerecht auseinandersetzen. Sie sind mit dem Arbeitsplatz, den Werkzeugen, Maschinen und Fachbegriffen einer Holzwerkstatt sowie den Grundprinzipien eines werkstoffgerechten Umgangs mit Holz vertraut und haben unterschiedliche Fügungs- und Bearbeitungsmethoden kennen gelernt, Grundlage für späteres Entwerfen sowie das Herstellen von Möbel in Theorie und Praxis. Ein Handwerker muss Dinge anfertigen können, muss über ihre Qualitäten nachdenken und deren Bedeutung erweitern können. Er beschreibt damit einen elementaren menschlichen Impuls, das Bestreben, eine Tätigkeit um ihrer selbst willen gut zu machen. Welche Rolle spielt dabei die Herstellung eines Objekts? Kann man die herstellende Handlung im Ding selbst lesen, ihr nachspüren? Das Behandeln des Materials, sein Fügen und kombinieren ist Routine, zivilisatorisches Wissen. Wir fertigen einen gebräuchlichen, ursprünglichen, simplifizierten Sessel. Die dabei angewandten klassischen Holzverbindungen werden wir mit handwerklicher Geschicklichkeit und maschineller Hilfe herstellen. Faktoren wie Gewicht, Dimensionen, Ergonomie, Höhen und Größen sowie Konstruktion und Stabilität sind dabei wichtige Qualitätskriterien für den Einsatz im Alltag.

»Ein Stuhl ist ein sehr schwieriger Gegenstand. Wer jemals versucht hat, einen Stuhl zu entwerfen, weiß wovon ich spreche. Es gibt endlose Möglichkeiten und viele Probleme - der Stuhl muss leicht sein, stabil und bequem. Es ist fast einfacher, einen Wolkenkratzer zu entwerfen als einen Stuhl. «¹

»Ein Möbel spricht unser Auge an, wenn seine Form etwas von seinen wesentlichen Eigenschaften ausdrückt. Die Sprache der Form kann zur Schönheit gesteigert werden, wenn alle Teile zu ausdrucksvoller Ganzheit vereint werden. «²

¹Ludwig Mies van der Rohe

²Carl Malmsten

WS 2024:
Der Sessel
Furniture Making, R. S. Bowers, 2021
Zuschnitt, Rainer Eberl, 2024
Metal Shutter House, Shigeru Ban Architects, 2010 (Foto: Yukio Shimizu)